Flora und Fauna an den schönsten Plätzen der Welt
 

Drosophyllum lusitanicum in Süd-Portugal

Im November 2021 besuchten wir die Algarve in Portugal. Wir hofften dort Drosophyllum lusitanicum, genannt das Taublatt oder portugiesischer Sonnentau, zu finden. Natürlich ist das nicht die Blütezeit, die eher im April/Mai liegt, aber die Pflanzen sollten dennoch zu finden sein. Wir hatten einige Literaturrecherche betrieben und auch von befreundeten Karnivorenfreunden ein paar gute Hinweise erhalten.

Im Beitrag „Drosophyllum lusitanicum − ein Pflanzenportrait des Taublatts“ sind alle Besonderheiten dieser interessanten, fleischfressenden Pflanze nachzulesen. Sie kommt in Europa in Südspanien und Portugal vor und hat ein weiteres kleines Verbreitungsgebiet im gegenüber liegenden Marokko.

Neues, noch eingerolltes Blatt von Drosophyllum lusitanicum

Im südlichen Portugal sind nur wenige Standorte bekannt, die meisten Hinweise waren bereits sieben Jahre alt und die Fahrtstrecken dorthin auch nicht klein. Als erstes besuchten wir die nahe an unserer Unterkunft gelegenen Standorte, konnten dort aber trotz intensiver Suche und geeignet scheinendem Habitat keine Drosophyllum-Pflanzen finden. Erst als wir die weiter von der Algarveküste entfernt gelegenen Standorte aufsuchten, wurden wir fündig. 

Espinhaço de Cão

An der südlichen Westküste liegt Espinhaço de Cão. Der Standort war es ein lichter Pinienwald, der aber in weiten Teilen schon mit Eukalyptusbäumen durchsetzt war. Leider ist in der Vergangenheit viel Pinienwald durch Eukalyptus ersetzt worden. Es wächst schneller als Pinien und kommt sehr gut mit den zum Teil sehr trockenen Verhältnissen klar. Daher wurde und wird häufig Eukalyptus angepflanzt, wenn ein Pinienwald zwecks Holzwirtschaft abgeholzt wird. Die Bäume sind Neophyten und gehören nicht in die portugisische Flora. Das Laub verändert mit seinen Blausäureanteilen die Bodenchemie, so dass viele heimische Pflanzen mit der Zeit hier nicht mehr wachsen können. Leider gehört auch Drosophyllum lusitanicum zu den betroffenen Pflanzen, wie wir an einigen Standorten selbst feststellen konnten.

Das Substrat bestand aus Sand und einer recht dicken Schicht aus verrottenden Piniennadeln, Rinde und Pinienholz und leider auch schon einigen Eukalyptusblättern. Aus dem dichten Unterholz aus Cistrosen, Ginster und anderen Begleitpflanzen leuchteten die silbrigen Samenkapseln von Drosophyllum lusitanicum.  Auch auf den grasigeren, offeneren Flächen fielen uns zuerst die noch stehenden Samenkapseln des Frühjahrs auf. Die Drosophyllum Pflanzen selbst waren fast komplett schwarz und bestanden fast nur aus abgestorbenen alten Blättern. Erst bei näherem Hinsehen konnten wir bei fast allen Pflanzen noch kleine, grüne Neuaustriebe an den Wachstumspunkten finden. Es hatte zu diesem Zeitpunkt in Portugal noch keine Herbstregenfälle gegeben, der Boden war dementsprechend staubtrocken. Nur auf Grund ihrer sehr langen Pfahlwurzeln ist Drosophyllum überhaupt in der Lage an diesen Extremstandorten zu wachsen und zu überleben. Aber wenn der Regen über längere Perioden ausbleibt, stirbt auch Drosophyllum ab.

Insgesamt fanden wir an diesem Standort zwischen 50 und 60 Pflanzen, die meisten wohl zwei bis drei Jahre alt. Die ältesten Pflanzen hier waren sicher auch vier bis sechs Jahre alt, was man an der Anzahl der Verzweigungen und der Stammdicke erkennen kann. Sämlinge aus diesem Jahr konnten wir nicht finden, dafür war es sicher zu trocken. Im Gegensatz zu dem sieben Jahre alten Bericht über diesen Standort hat die Population wahrscheinlich um 90 bis 95 Prozent abgenommen und es ist fraglich, wie lange dieser Standort mit zunehmender Eukalyptuspopulation noch überleben kann.

Der charakteristische Honigduft, den Drosophyllum lusitanicum als einzige fleischfressende Pflanze als zusätzliche Anlockung ausströmt, war hier nur wenig zu spüren. Sicher lag es daran, dass alle Pflanzen fast abgestorben waren, auch die geringe Populationsdichte ist sicher ein Punkt.

Begleitflora und Fauna

Eine interessante Beobachtung konnten wir in Bezug auf Spinnen machen. Wir fanden zwei Kreuzspinnen, die sich zwischen den alten, silbrigen Samenkapseln von Drosophyllum einen Ansitz gebaut hatten. Araneus pallidus ist in Südwesteuropa und Nordwestafrika verbreitet. Farblich total an die Farbe der Samenkapseln und Stängel angepasst, waren diese Spinnen fast nicht zu sehen. Tarnung ist eben alles im Kampf ums Überleben. 

Der Herbstmonat November ist nur für wenige Pflanzen Blütezeit. Als Begleitflora zu Drosophyllum lusitanicum konnten wir einige Colchicum filifolium (auch Merendera genannt), Scilla autumnalis (Prosperous autumnale), den Herbstcrocus Crocus serotinus sowie die weißen Glöckchenblüten von Acis autumnalis, der Herbst-Knotenblume aus der Familie der Amaryllidaceae finden. Die Acis autumnalis Blüten erinnern stark an Schneeglöckchen. Hier und da blüht auch noch ein Rosmarin oder eine kleiner Thymian.

Monte da Vinha

In der Nähe von Monte da Vinha wanderten wir auf eine mit niedrigem Buschwerk überwachsene Hügelkuppe. Hier hatte es nach Erzählungen vor ca. acht Jahren gebrannt. Damals fanden sich nur große, alte, verbrannte Drosophyllum Pflanzen auf der Hügelkuppe, aber tausende frischer grüner Sämlinge auf dem fast kahlen Substrat.

Hügelkuppe Monte da Vinha

Wir konnten erst nach längerer Suche zwischen dem inzwischen sehr dichten Buschwerk einige große alte, aber meist abgestorbene Drosophyllum Pflanzen finden. Das Buschwerk bestand aus großen Heidebüschen (Erika), unterschiedlichen Ginster-Arten und einigen Zistrosengewächsen. Fast alle Drosophyllum waren komplett tot, einige waren sicher sieben Jahre alt gewesen, was man an der Dicke des holzigen Stammes sehen konnte. Der Stamm einiger Exemplare hatte einen Durchmesser von 2 bis 2,5 cm. Bei vielen toten Drosophyllum Pflanzen waren aber noch Samen in den zum Teil wohl Jahre alten Samenkapseln zu finden. Wie wir aus eigener Erfahrung und auch aus der Literatur wissen, können Drosophyllum Samen viele Jahre trocken überleben und verlieren auch nicht ihre Keimfähigkeit. Erst wenn ein Feuer oder anderes den Bewuchs entfernt hat und die Bedingungen gut sind, keimen die alten Samen und bilden so meist die Erstbesiedelung einer sonst kahlen Fläche.

Einige wenige noch lebende Exemplare mit kleinen, grünen Wachstumspunkten ließen sich nach längerer Suche auch noch finden. Diese hatten tatsächlich in diesem Frühjahr noch geblüht und auch frische Samen ausgebildet.

Dieser Standort ist durch seine Lage auf der Hügelkuppe sehr exponiert und der häufig auftretende Wind trocknet zusätzlich den Boden aus. Es bleibt zu hoffen, dass nach einem Feuer dieser Standort zu alter Schönheit heranwachsen kann, genügend alte Samen liegen sicher noch im Boden. Das Substrat bestand hier aus rot-braunem Sandstein mit viel Sand. Die Substratoberfläche erinnerte uns an Lateritböden, die wir sonst so nur aus Australien kennen.

Santiago do Cacém

Nach einer längeren Anfahrt erreichten wir den Standort bei Santiago do Cacém. Auf Grund unserer Erfahrung in den letzten Tagen erwarteten wir keine tollen Pflanzen, dafür sahen alle bisherigen Drosophyllum Pflanzen zu vertrocknet aus. Zu unserer großen Freude fanden wir beim Einstieg in das hügelige Gelände aus lichtem Pinienwald, auf einer grasigen, offenen Fläche, die ersten Drosophyllum Sämlige aus diesem Jahr. Sie leuchteten mit ihren Klebetropfen gegen die Sonne und waren so sehr gut zu entdecken.

Lichter Pinien- und Korkeichenwald mit Baumheide und Ginster

Danach ging es durch dichtes Buschwerk aus Baumheiden, kleinen Steineichen und Ginster den Hang hinauf. Hier fanden wir riesige alte Drosophyllum Planzen, meist an etwas lichterer Stellen. Die Pflanzen waren zum Teil riesig groß und über und über mit alten Samenständen bedeckt. Die Samenstände waren zum Teil aus mehreren Jahren, bis zu drei unterschiedliche Jahrgänge konnten wir finden. Ein einziges Exemplar hatte eine ungewöhnliche Herbstblüte ausgebildet, hier waren die Samenkapsel noch nicht ausgereift, sondern noch grün, die betauten Kelchblätter waren noch vorhanden. 

Wo es schattiger war, hatten die Pflanzen lange grüne, betaute Fangblätter; in voller Sonne waren sie kleiner und kürzer. Das größte und älteste Exemplar würden wir auf ein Alter von mehr als zehn Jahren schätzen, es war fast unbestimmbar verzweigt und der holzige Stamm wies einen Durchmesser von mehr als 4 cm auf. So etwas ist uns aus der Literatur nicht bekannt.

Einige der sehr alten Exemplare waren auch komplett abgestorben, so dass wir uns das Holz des Stammes genau ansehen konnten. Aus diesem Drosophyllum Holz hätte man sich eine Pfeife schnitzen können.

Auf der Hügelkuppe fanden wir ein Plateau mit einer völlig anderen Vegetation. Das Substrat auf dem Plateau war sandiger, beige bis ockerfarbener Sandstein. Hier standen locker große alte Korkeichen, die auch bewirtschaftet wurden. Der Kork, die Rinde dieser Bäume, kann alle sieben Jahre neu abgeschält werden, was bei diesen Bäumen auch der Fall war. Zwischen den Korkeichen war der Boden im sehr zeitigen Frühjahr gepflügt worden, damit die Korkeichen nicht mit dem Bodenbewuchs um das Wasser konkurrieren müssen. Auf dem frisch gepflügten Boden waren tausende Drosophyllum Samen gekeimt und im Laufe des Jahren zu stattlichen Sämlingen bzw. Pflanzen herangewachsen. Das Wetter spielte mit und wir konnten diese Massenpopulation gegen das Licht in der Sonne glitzern sehen. Es sieht aus als wären die Fangblätter mit tausenden Diamanten behängt.

Rund um die Korkeichenstämme, wo nicht gepflügt werden kann, hatten größere, ältere Drosophyllum Exemplare überlebt und auch in diesem Frühjahr geblüht. Sie waren mit dutzenden Samenständen besetzt.

Der charakteristische Honigduft war hier auf dem Plateau fast überwältigend, man fühlte sich fast wie im Herzen eines Bienenstocks. Dieser Honigduft und auch das Glitzern der Klebetropfen zog hier extrem viele Insekten an. Viele Pflanzen waren über und über mit Fliegen und anderen Insekten bedeckt. Auch einige größere Schmetterlinge gehörten zur Beute dieser Drosophyllum Pflanzen.

Aljezur

Ein Tipp einer Einheimischen führte uns in die Nähe von Aljezur an der Westküste Portugals. Wir fanden einen lichten Pinienwald, der leider intensiv bewirtschaftet wurde. Bei unserer Ankunft begegnete uns als erstes ein 40 Tonner LKW mit Anhänger, der hoch mit frischen Pinien-Stämmen beladen war. Wir erwarteten also nichts Gutes. 

Am angegebenen Standort war die Fläche schon etwas länger abgeholzt, aber wir ließen uns natürlich nicht so schnell entmutigen. Bei der Wanderung durch das Gelände fanden wir eine etwas feuchtere Fläche mit hunderten Pflanzen von Drosophyllum lusitanicum, die in der Sonne leuchteten. Als Begleitflora kam hier wieder Erika in Blüte und auch Ginster vor. Überall dazwischen aber auch kleine, 30 bis 40 cm hohe Piniensämlinge. Diese ähneln mit ihren hellgrünen, langen Nadeln sehr den Drosophyllum Planzen und so erklärt sich auch der englische Name „dewy pine“, zu deutsch „betaute Pinie“. Mit ihren hunderten glitzernden Klebetropfen sieht das Drosophyllum tatsächlich wie eine Pinie am Morgen mit tausenden von Tautropfen aus. Im portugiesischen heißt es „herba piniera orvalhada“, was übersetzt das gleiche bedeutet.

Viele der Pflanzen hier hatten über mehrere Jahre geblüht und wir konnten noch viele gefüllte Samenkapseln sehen. Die Kapseln aus diesem Jahr waren eher golden-bräunlich, die der letzten Jahre eher silbrig-grau.

Auch hier hatte eine Pflanze eine ungewöhnliche Herbstblüte ausgebildet. Die Samenkapsel an diesem Blütenstiel waren noch nicht reif und noch von grünlicher Farbe. Die Kelchblätter hatten sich bereits rötlich verfärbt.

Eine Crestate-Form

Sehr interessant waren auch einige Pflanzen mit „crestate“ Wachstumspunkten. Hier wachsen nicht Fangblätter aus einem Punkt, sondern der Wachstumspunkt ist fächerförmig verbreitert und die Fangblätter wachsen wie auf einem Kamm. Man kennt dies von einigen Kulturpflanzen bei Drosera capensis und einigen anderen Drosera-Arten. Leider haben diese Pflanzen meist nicht geblüht, es wäre interessant, ob diese Mutation genetisch stabil ist. Bei einer weiteren Pflanze zeigte sich ein gekrümmter Austrieb der neuen Blätter, dies ist wohl aber eher auf eine Schädigung durch Tierbiss zurückzuführen.

Die größten Pflanzen hatten einen kugeligen Wuchs und einen Durchmesser von mehr als 40 cm, einzelne Fangblätter waren mehr als 30 cm lang. Die Höhe einiger Pflanzen erreichte mit Samenständen 70 cm und mehr.

Beute von Drosophyllum lusitanicum und Interaktion mit der Fauna

Der Honigduft hier war „ohrenbetäubend“ und die Fangblätter waren über und über mit Fliegen und anderen Insekten, auch Schmetterlinge und Motten, bedeckt. Wir konnten eine große Wespe beobachten, die sich in dem Fangblätterirrgarten verfangen hatte und auch zur Beute von Drosophyllum wurde.

Wie schon am ersten besuchten Standort konnten wir auch hier eine riesige Kreuzspinne (Araneus pallidus) beobachten, die sich ein Drosophyllum als Ansitz ausgesucht hatte. Sie hatte ihr Netz zwischen dem Drosophyllum und einer kleinen Pinie gespannt und wartete am Fuß der Pflanze auf unvorsichtige Insekten.

Der Boden bestand hier fast ausschließlich aus alten Piniennadeln, Zapfen, Rinde und Holz, und natürlich den alten abgestorbenen Blättern und Stämmen alter Drosophyllum Pflanzen. Der Bereich beschränkte sich auf vielleicht 30 x 30 Meter, nur hier waren die Pflanzen zu finden.

In der Umgebung, insbesondere in den dichteren Teilen des Pinienwaldes waren noch hier und da ein paar Pflanzen zu finden. Aber nicht so schön und spektakulär wie die ersten. 

Auch an diesem Standort hat uns das Wetter in die Karten gespielt, es war sonnig, fast windstill und 22 Grad warm. Wir konnten ausgiebig fotografieren und machten uns dann am späten Nachmittag wieder auf die längere Heimreise. Wir hoffen, dass dieser Standort noch lange existieren wird, befürchten aber, dass auf Grund der Abholzung der Pinien auf Dauer der Boden zu trocken werden wird. Besuche in späteren Jahren werden zeigen, ob sich Drosophyllum hier wird halten können.